O mein Herz-Boot-Navigator, mach mich zu deinem unermüdlichen Diener.
Bilder einer Reise, teils Wasserreisen, sind allgegenwärtig in Sri Chinmoy’s Gedichten. Wie auch Rabindranath Tagore, der Gott als den Fährmann oder den Bootsmann herbeiruft, benennt Sri Chinmoy Gott oft als the Bootsmann, Pilot oder Kapitän. In diesem Reimpaar strebt er nach einer immer größeren Präzision durch den Gebrauch des Beiworts ‚Navigator‘. Es deutet an, daß Gott nicht bloß am Ruder unseres Lebensbootes ist, sondern das er gleichzeitig auch die Route plant und dirigiert. Bis zu einem gewissen Umfang beschwört das Wort auch Bilder altertümlicher Entdeckungsreisen herauf, wo die Seeleute die alte Welt auf der Suche nach geographisch nichterfaßtem Land hinter sich ließen. In diesem Fall steuert Gott das Herz-Boot auf ein letztes Ziel zu, das nur er alleine kennt.
In der ersten Zeile entwirft der Poet eine dreiwörtrige Zusammensetzung, um ein ansonsten heikles und an für sich unpoetisches Gebilde zu retten. Anstatt des schwerfälligen ‚O Navigator des Bootes meines Herzens‘, stellt er die Wortreihenfolge um, entfernt die schwächsten Verbindungswörter und straft den Reim, so daß jedes Wort in der dreiwörtrige Zusammensetzung eine gleichmäßige Betonung bekommt, im Endeffekt ein Molossus entwerfend (oder dreifacher Fuß bestehend aus drei starken Beats.).
Wiederum stellt diese dreiwörtrige Zusammensetzung eine der Basisfragen heraus, der sich die meisten Übersetzer Sri Chinmoys Poesie gegenübersehen und wird weiterhin Kommentatoren der Gedichte herausfordern. Und zwar ob ein beschreibbares Bild in eine Zusammensetzung eingebunden wurde, spielt es eine schwächere und untergeordnete Rolle zum dominanten Substantiv? In Herz-Boot ist zum Beispiel das Herz boothaft oder sagt der Poet mehr?
Essentiell ist die Frage: Nutzt ein Seher-Poet einfach seine Vorstellungskraft oder sieht er diese andere Ebene als greifbar und zweifellos, sowie andere Menschen Dinge auf der materiellen Ebene wahrnehmen?
Als Seher-Poet sprechend bevorzugt Sri Chinmoy klar das letztere. ‚Ein Seher-Poet ist jemand der die letzte Realität in sich trägt, über die er schreibt‘ Die Rolle des Seher-Poeten ist die, diese Realität vor ihrem Eintreffen vorherzusehen.
Dies vorrausgesetzt, muß das Herz-Boot und sein göttlicher Steuermann auf einer inneren Ebene existieren, eine Ebene, die wir als Leser wohl noch nicht erreicht haben. Das Herz ist nicht nur bootsähnlich, es ist ein Boot. Gott ist nicht wie ein Steuermann, er ist der Steuermann dieses Herzbootes – und die Tatsache, daß er auch der König und das Juwel unseres Herzens ist, oder irgendeine andere für ihn erlesene Bezeichnung, mildert die Kraft der Vision des Poeten nicht.
Noch mehr ist die dreiwörtrige Zusammensetzung mit seinem beharrlichen rhytmischen Beat ermutigend, man wird geradezu herausgefordert, diese Vision als seine eigene zu beanspruchen, es innerhalb unserer eigenen Visionen einzureihen. ‚Vorstellung,‘ erinnert uns Sri Chinmoy, ‚ist der Vorbote der Realität. Wenn jemand es wagt, an die Tatsache der Komposition zu glauben, dann hat uns der Poet innerlich auf den gebetshaften Ruf der 2. Zeile vorbereitet: ‚*Mach mich zu deinem unermüdlichen Diener.*‘ Interessanterweise gibt das leicht archaiische ‚Diener‘ vor, daß der Sprecher nach einer weitaus aktiveren Rolle als der des ‚Passagiers‘ strebt.
Wir sind alle Passagiere, passive Zeugen unserer Lebenreise, aber der Sprecher möchte ständig über alle Bewegungen Gottes in seinem Leben im Bilde sein und Gott in jeder möglichen Weise dienen. Die Ernsthaftigkeit und der Drang seines Schreis werden durch die Wahl seines Verbs deutlich: ‚machen‘. Wo ein anderer Poet wohl diese Möglichkeit genutzt hätte, um ein farbenfrohes oder hervorstechendes Verb einzubinden, besonders einbeziehend das es das einzige Verb im Gedicht ist. Sri Chinmoy wählt eines der elementarsten und fundamentalsten Wörter aus. Wiederum strebt er offensichtlicherweise wiederum nicht nach poetischer Wirkung. Noch mehr bezeugt die schlichte Wahl seines Wortes die Glaubwürdigkeit seiner Vision.