Sri Chinmoy hat ein ungewöhnliches Quartär metrischer Einheit, das Choriambus, für dieses Gedicht vom 17.Oktober als Organisationsprinzip gewählt:
Leben für Leben, Leben für Leben, liebt Gott es in meiner Herz – Hütte zu wohnen.
Die wunderschöne Abfolge von fallenden und steigenden Rhytmen kommt besonders dann zu voller Wirkung, wenn das Gedicht laut gesprochen wird. Das Gedicht lehnt sich an die Beschwörungsformel, eine pathetische Form der Rede, die perfekt einhergeht mit der großen Vision des Poeten.
Der Sprecher beteuert, daß Gott in ihm wohnt, nicht bloß Tag für Tag, oder Jahr für Jahr, sondern Leben für Leben. Durch die Wiederholung der ersten Zeile erweckt er den Eindruck endloser Serien solcher Lebenszeiten. Die Seele wird in einen Körper geboren, wird verkörpert, stirbt und kehrt dann wieder in einen neuen Körper zurück. So wiederholt sich dies Leben für Leben.Der Poet imitiert diese Spirale indem er alle Konjunktionen, Personalpronomen und andere Partikel in den ersten beiden Zeilen ausläßt, sodaß sie sowohl vorwärts als auch rückwärts auf die selbe Weise gelesen werden können. Alles ist reduziert, zurückgestuft, bis nur noch Zeit übrigbleibt. Etwas von seiner hypnotischen, wiederholenden Qualität setzt sich in der 3.Zeile fort, ‚Gott liebt es zu leben.‘ Hier scheint ein absichtlicher Chiasmus da zu sein, oder durch die Kreuzung der Wörter ‚Liebe‘ und ‚Leben‘. Der volle Gleichklang der 2 Wörter ermutigt uns sie auszutauschen. Man könnte genauso, ‚Gott lebt, um zu lieben Die subtile Vermischung und Verwebung des Sinns führt uns zur Schlusszeile. Von der sich anhäufenden Größe und Erhabenheit der nachfolgenden Zeilen, bringt uns der Poet dazu, etwas Majestätisches zu erwarten— einen famosen Abgang. Stattdessen bringt Sri Chinmoy die ganze Konzentration des Gedichts auf die Schlußkomposition ‚Herz-Hütte‘. Dieses Bild deutet äußerste Bescheidenheit und Einfachheit an, gibt dem Leser durch seine Demut einen Ruck. Der Poet folgert das Gott die bescheidenste Unterkunft dem prächtigsten Palast vorzieht. Seine Wahl des Wortes ‚Hütte’setzt ein massives Gegengewicht zu dem modernen Drang nach unzähligen Besitztümern, nach Luxus und Anspruchsdenken. Es ist ein höchst lebendiges und überzeugendes Bild. Vielleicht sagt der Poet auch, daß Gott nur in uns wohnen kann,wenn wir diese Bescheidenheit von Lebzeit zu Lebzeit bewahren können, andernfalls ist kein Platz mehr für ihn
Poetisch gesprochen, ist es ein sehr maßvolles Gedicht bezugnehmend auf das Wort Wahl, die Metrik, den Reim und so weiter. Die ganze Farbe und Aufmerksamkeit richtet sich aus auf die Schlußkomposition – und es ist absolut in der Lage, die Bedeutungsschwere, mit der der Poet es ausstattet, zu tragen. Das Gedicht ist zweifellos mantrischer Abfassung und bezaubernden Qualitäten, die Schaffung eines modernen Poeten, altmodisch in seinen Assozationen, knapp an Adjektiven, doch voller Atmosphäre vibrierend. Es ist ein Zeugnis der Konstanz von Vergangenheit und Gegenwart — das alterhergebrachte Bild eines zurückgezogenen Heiligen, der in seiner einfachen Behausung meditiert, ist tief verwurzelt im Herzen des heutigen Suchers.